Es war etwa am Dienstag Mittag, als ich Iron-Helmut am Telefon gebeichtet habe, dass ich außerplanmäßig nur 4 Tage später am Mannheim-Marathon teilnehmen würde. Die Reaktion darauf war eine Mischung aus ???? und !!!!!. Gesagt, getan: Am Samstagnachmittag düse ich von Frankfurt in Richtung Schifferstadt – im Gepäck 2 Nussecken und eine Zielzeit von 3:20 Stunden.
Nachdem wir bei Schucks sämtliche Tee-Vorräte verkonsumiert haben (da passen die Nussecken sehr gut zu), geht es in Richtung Bahnhof, wo wir Stefan und Matthias treffen. Hier wird sich nun liebevoll um Helmuts Hauptsorge des Tages gekümmert, denn irgendwie haben seine beiden (!) GPS-Uhren den Dienst quittiert. Ich tippe darauf, dass die Dinger das ganze Übertraining nicht verkraften. In einem Akt gelebter Herzenswärme hilft ihm Stefan mit seiner Ersatzuhr aus – später in Mannheim kommt noch eine Zweite von Andrea. Was soll da noch passieren?
Am Runners-Treffpunkt ein kurzes Hallo, dann muss speziell ich schnell weiter, da ich noch nachmelden muss. Gegen eine Spende von 60€ darf ich dann auch mitmachen. Der Start wird in diesem Jahr besser gelöst als in der Vergangenheit: Aufstellung ist in der Augustaanlage und um 18:50 Uhr werden wir in einer Art Almabtrieb am Nasenring zur Startlinie geführt. Kurios: Auf den Startnummern für Nachmelder wird keine Einteilung in Startblöcke nach Zielzeit notiert – auch nicht mit Filzstift oder so was. So folge ich Iron-Helmut in den Block A1. Die Dame am Zugang zum Block ist aufgrund dieses Umstands völlig verwirrt. Als ich ihr dann aber (halbwegs) glaubhaft erzähle, dass ich vielleicht, eventuell, unter Umständen, rein theoretisch kenianische Vorfahren haben könnte, lässt sie mich in den Block. Chakka! Hier treffen wir dann auch Sebastian und Hartmut, die heute den Halbmarathon absolvieren. Gut, ok: Helmut trifft natürlich noch viel mehr Bekannte als ich (ich treffe übrigens keinen Einzigen), aber das ist wohl angesichts seiner vielen Auftritte in Talk-Shows alternativlos.
Der Streckensprecher stellt noch kurz die Stars aus Afrika vor aber der wirklich größte Applaus brandet auf, als Ironman Welt- und Europameister Sebastian Kienle vorgestellt wird, der in einer Staffel mitläuft. Mit dem gleichzeitigen Start von Marathon, Halbmarathon und den Marathon-Staffeln um 19 Uhr ist für mich überhaupt nicht ersichtlich, welcher Wettbewerb wie stark besetzt ist. Aber meine Nachmelde-Nummer 1.891 für den Marathon lässt schon mal sicher darauf schließen, dass es spätestens ab km 21,1km einsam auf der Strecke werden würde. Etwas unglücklich finde ich, dass Staffelläufer für den Rest des Feldes nicht erkenntlich sind – das bringt besonders nach den Wechselstellen viel zu viel Unruhe in das Feld und trägt nicht wirklich zur Motivation speziell der Marathonläufer bei. Natürlich kann man einen Marathon überhaupt nicht mehr ohne kürzere Distanzen und Staffeln finanzieren, aber man sollte auch hier die Sache ein wenig wie in Frankfurt entschärfen, wo die Staffelläufer ein zweites Schild „Staffel“ auf dem Rücken tragen.
Halbmarathon
Die Strecke finde ich auf dieser ersten Schleife eigentlich ganz ok – man kann gut Gas geben, wenn man dazu in der Lage ist. Die Temperatur ist mit 20°C zwar ein wenig zu hoch, aber das ist Alles im Rahmen des Erträglichen. Lediglich der Wind nervt mich auf der einen oder anderen Passage außerhalb der Stadt. Als ich nach 8,5km, kurz vor Seckenheim, in die etwa 6km lange Wendeschleife starte, kommen mir auf der Gegenseite die offensichtlich führenden Kenianer entgegen. Jedenfalls ist in Seckenheim recht ordentlich Stimmung – insbesondere strecken mir viele Kinder die Hände zu Abklatschen entgegen. In und um Neuostheim ist es dann wieder deutlich ruhiger. Man merkt aber, dass viele Halbmarathonis kurz vor dem Zieleinlauf sind und nochmal die letzten Körner rausholen. Ab km 15 registriere ich immer öfter Zurufe vom Runners Supporter Team, obwohl viele gar nicht wissen, wer ich bin! Das richtige Trikot macht hier den Unterschied! Ist schon ganz witzig: Einige fragen mich an der Strecke nach meinem Namen, Andere wollen wissen, ob Helmut schon durch ist. Im Prinzip ist der erste Halbmarathon eine große Vorstellungsrunde für mich. Ich kenne die wenigsten Namen der netten Leute, die uns 42,195km lang unterstützt haben, aber
Vielen Dank für den Support!
Die 7 gestarteten Runners lieferten auf den 21,1km allesamt starke Leistungen deutlich unter 2 Stunden ab, lehrten den Topstars gewaltig das Fürchten und erzielten folgende Ergebnisse:
Andreas Hippler | 1:23:03 h | Platz 29 | AK-Platz 2 |
Hartmut Jeskowiak | 1:37:05 h | Platz 220 | AK-Platz 18 |
Tanja Wittmann | 1:42:49 h | Platz 44 | AK-Platz 7 |
Sebastian Sattel | 1:43:18 h | Platz 445 | AK-Platz 63 |
Stephan Jürgens | 1:43:58 h | Platz 488 | AK-Platz 66 |
Günther Korz | 1:48:23 h | Platz 713 | AK-Platz 113 |
Matthias Reeb | 1:53:32 h | Platz 1016 | AK-Platz 157 |
Insgesamt finishen 3.565 Läufer den Halbmarathon und die Sieger laufen 1:04h (m) und 1:15h (w). Das würde ich auch gerne können. 1:23 Stunden würden mir aber auch schon reichen….
Marathon
Wie ich schon erwähnte: Auf dem 2.Halbmarathon wird es einsam auf der Strecke. Das ist der Preis dafür, dass man auf einer olympischen Distanz startet und die theoretische Chance hat, sich mit 2:12 Stunden für Rio 2016 zu qualifizieren. Am Verzweigungspunkt in der Fressgasse nach 20km biegt die große Masse der Halbmarathonis links ins Ziel ab und der Rest läuft geradeaus weiter. Mich beschleicht das Gefühl, dass hier alle Anderen abbiegen, nur ich nicht. Auch Helmut, Stefan und ich hätten hier die Möglichkeit gehabt, links abzubiegen und ein paar Minuten später mit offizieller Wertung im Ziel zu sein. Macht natürlich keiner, denn den unausweichlichen Hohn und Spott ertragen wir nicht wirklich.
Bei km 22 geht es über die Konrad-Adenauer-Brücke rüber nach Ludwigshafen, die auf dem Rückweg nach 39km zum echten Hindernis wird. An der Verpflegungsstelle bei km 23 überholt mich Stefan und ab da habe ich die rote Laterne bei den Runners, denn Helmut eilt in der internen Wertung vorne weg und seiner „Frühjahres-Bestzeit“ von 3:06 Stunden hinterher. Der Weg bis zum Wendepunkt bei km 30 in Rheingönheim ist der für mich härteste Part des Tages – ich muss bei km 29 sogar kurz gehen. Mit maximal möglichem Cola-Konsum kann ich mich auffangen und auf dem Rückweg läuft es wieder ganz gut.
Aber eine Frage muss ich mal stellen: Wer zum Teufel hat diese Brücken in den Weg gestellt!!?? Da waren Steigungen dabei – die hat man vermutlich im Himalaya entwendet und extra in die Marathon-Strecke eingebaut. Wie heißt eigentlich dieses Brückengebirge? Mannheim Hills? Richtig schön finde ich dagegen die km 34,5 bis 37, die Hannelore-Kohl-Promenade, die ich mittlerweile in kompletter Dunkelheit laufe. Deswegen heißt das hier ja auch Dimmer-, äh Dämmermarathon. Eine herrliche Ruhe ist das!
Am Ende dieser Uferstrecke befindet sich dann die vorletzte VP und ich habe so langsam das Gefühl, dass es Gott sei Dank gleich vorbei ist. Dummerweise geht es jetzt wieder hoch auf die Konrad-Adenauer-Brücke. Wer am Anfang des Anstiegs schon auf dem Zahnfleisch kriecht, dem wird hier der letzte Zahn gezogen. Ich ziehe da aber ganz brauchbar drüber und auf der anderen Seite wieder runter – herrlich! Meine Zeitansage von 3:20 Stunden kann ich natürlich mittlerweile völlig vergessen – dafür war es heute zu wenig (okay – einen weiteren Weicheipunkt an mich). Die restlichen intakten Funktionen meines Hirns errechnen, dass es mit sub 3:30 Stunden auch schon fast eng wird. Aber mein Ehrgeiz treibt mich nochmal zu 2 schnellen Kilometern an, nach denen mir zwar kotzübel ist, aber die Uhr nach 3:29:53 Stunden stehen bleibt. Beim Treffpunkt nach dem Zieleinlauf stelle ich fest, dass wir auf der Marathon-Strecke irgendwie alle mit ähnlichem Abstand hinter unseren Zielzeiten geblieben sind:
Helmut Schuck | 3:12:09 h | Platz 23 | AK-Platz 1 |
Stefan Magin | 3:21:21 h | Platz 50 | AK-Platz 12 |
Christian Meise | 3:29:53 h | Platz 82 | AK-Platz 15 |
Helmut gewinnt aber dabei immerhin seine Altersklasse und wird deshalb in den nächsten Wochen keine Zeit für uns haben. Talk-Shows, Sport-Studios, Grammies – das Übliche halt… Ich denke, das sind bei 689 Finishern ganz ordentliche Platzierungen – die Siegerzeiten bleiben mit 2:21h (m) und 3:11h (w) leicht hinter dem erhofften Niveau zurück. Es bleibt festzuhalten, dass gerade mal 6 Männer unter den 3 Stunden geblieben sind, also 1% (üblich ist bei den großen Marathons 3%) und dass das Finisher-Verhältnis von Halbmarathon zu Marathon etwa 5 zu 1 ist. Den Abholservice aus der Innenstadt übernimmt dankenswerterweise Familie Schuck – ich hätte auch gar keine Energie mehr gehabt, mit der Bahn zu fahren. Auf der Rückfahrt kann man aus dem Fenster sehen, wie sich Läufer immer noch durch die Dunkelheit quälen – die letzte arme Socke erreicht das Ziel um 0:25 Uhr. Ein Marathon am Abend ist und bleibt irgendwie komisch! Bin ich froh, dass es endlich vorbei ist…
Das Rückspiel ist am 25.Oktober in Frankfurt.
Gebt Euch einen Ruck!
(Da heißt die Fressgasse übrigens „Fressgass“ und kommt nicht nach 20km, sondern nach 40km)
1 Kommentar
Bernd
29. Oktober 2019 um 08:19
Christian du schreibst einfach genial :-) Ich habs bestimmt schon 4 x gelesen und finde es immer noch amüsant. DANKE.
Bernd